In meinem letzten Artikel hatte ich mich ja ein wenig über einen Text von Daniela Warndorf ausgelassen. Dabei geht es um die Frage wie man mit dem Problem von unbezahlter Arbeit umgehen soll. Genau genommen geht es um kostenlose Probearbeiten, die angeblich hauptsächlich nur bei Textern vorkommen. Zitat “In kaum einer anderen Branche wird mit einer solchen Selbstverständlichkeit nach kostenlosen Probearbeiten verlangt.”
Blick über den Tellerrand
Für mich ist das keine provokante These mehr, sondern ignorieren der Realität. Schauen wir uns doch einfach mal ein paar Berufe an in denen es die reine Selbstverständlichkeit ist das man “kostenlos” arbeitet.
Da hätten wir zum Beispiel die Architekten. Bei größeren Projekten werden gerne so genannte “Wettbewerbe” ausgeschrieben. Um an den Wettbewerb teilnehmen zu dürfen, müssen die Architekten einen kompletten Entwurf inkl. Modell abliefern. In seltenen Fällen bekommen die zweit- und drittplatzierten noch ein kleines Honorar für ihre Arbeit. Alle anderen hingegen gehen leer aus. Das sind einige hundert Arbeitsstunden die Architekten unbezahlt leisten um an einen Auftrag zu kommen. Und dies vollkommen selbstverständlich und ohne großes Murren.
Bleiben wir in der Baubranche, denn es geht auch eine Nummer kleiner. In der Baubranche werden Aufträge normalerweise ausgeschrieben. Es gibt ein Leistungsverzeichnis das der Bewerber mit Preisen auszufüllen hat. Derjenige der die entsprechende Eignung hat und den günstigsten Preis abliefert bekommt den Zuschlag. Alle anderen gehen leer aus. Die Abgabe eines Angebotes wird in keinster Weise vergütet. Dabei ist so ein Leistungsverzeichnis je nach Größe des Projektes zwischen 10 und mehreren tausend Seiten stark. Selbst wenn es nur wenige Positionen umfasst, verbringt man als Unternehmer etliche Stunden damit Preise zu kalkulieren, Preise für Materialen anzufordern und Angebote zu schreiben. Im Laufe eines Jahres kommen so auch etliche hunderte Stunden zusammen die in keinster Weise bezahlt werden.
Aber natürlich gibt es auch Arbeiten die für uns mittlerweile so selbstverständlich sind, dass wir sie schon gar nicht mehr als solche erkennen. Ich kenne keine Metzgerei in der halbe Schweine oder ganze Kühe auf dem Tresen landen und wo ich mir das Kotelette selber raus schneiden muss. Auch im Supermarkt stehen keine Kühe an denen ich mir die Milch selber zapfen muss. Metzger und Supermarkt müssen Waren einkaufen, sie lagern, transportieren, in Regale und Theken einräumen und wenn sie nicht verkauft werden, wieder ausräumen und entsorgen. Dabei ist der Arbeitsaufwand manchmal noch nicht einmal das große Problem, sondern der Wareneinsatz. Denn für nicht verkaufte Ware bekommen weder Metzger noch Supermarkt von irgendjemanden Geld. Das sind Verluste die der Unternehmer selber zu tragen hat. So etwas fällt unter den Begriff Unternehmerisches Risiko.
Kostenlos ist nicht umsonst
So gesehen sind digitale Unternehmer, wie z.B. Texter, wirklich gut dran. Denn sie investieren lediglich etwas Zeit und haben so gut wie keinen Wareneinsatz. Die Verluste sind also überschaubar. Verluste, sei es durch unverkäufliche Ware oder nicht bezahlte Arbeit, gehören zum Geschäftsalltag unabwendbar hinzu. Das ist nun einmal das Risiko das man als Unternehmer eingeht und das den selbstständigen Unternehmer vom Angestellten, der normalerweise seine komplette Zeit bezahlt bekommt, unterscheidet. Die Frage kann also nicht sein wie man unbezahlte Arbeit vermeidet, sondern wie man Risiken, die das Geschäftsleben mit sich bringt, kalkuliert und wie man mit ihnen umgeht.
Probearbeiten und Referenzen sind Teil des Grundkapitals. Eine Tatsache die viele Jungunternehmer entweder gar nicht begreifen oder schlichtweg ignorieren. So wie man ein Startkapital in Form von Finanzen und eine Grundausstattung in Form von Hard- und Software, Büroausstattung, usw. benötigt, benötigt man ebenso Schaustücke die man dem Kunden präsentieren kann.
Im besten Fall sind es Referenzen die man vorzeigen kann. Denn bei Referenzen handelt es sich in der Regel um Projekte für die man bereits Geld bekommen hat, die Schaustücke sind also bereits bezahlt. Allerdings stellt sich hier die Frage wie man an Referenzen kommen soll. Denn auch eine Referenz ist ja schließlich ein Auftrag der erst einmal erteilt und durchgeführt werden will.
Wenn man also (noch) keine Referenzen hat, dann muss man entweder Zeit in Schaustücke investieren oder mit (kostenlosen) Probearbeiten den Kunden überzeugen.
Investition in die Zukunft
Für Programmierer wäre es z.B. eine Möglichkeit Open Source Software zu veröffentlichen. Texter hätten z.B. die Möglichkeit über einen Blog ihre Fähigkeiten und Talente zu präsentieren. Webdesigner können z.B. für gemeinnützige Vereine Webseiten erstellen, usw. Dies alles ist zwar erst einmal “unbezahlte” Arbeit, jedoch sollte man es als Investition betrachten die sich vielleicht erst viele Jahre später auszahlt. Denn im Grunde genommen geht es doch darum sich einen Namen zu machen und sich zu präsentieren. Da ist es wahrscheinlich sehr suboptimal wenn die Open Source Software “Pimpernelli – Das lustige Puffspiel” heißt, der Blog nur so vor bissigen und sarkastischen Beiträgen strotzt, die “gemeinnützige Organisation” für die man Webseiten erstellt sich als Webseite mit sehr vielen nackten Frauenkörpern heraus stellt.
Hier bewahrheitet sich der Grundsatz privates und geschäftliches tunlichst voneinander zu trennen. Es gibt sicherlich den einen oder anderen bei dem der Mix aus Privat und Geschäftlich funktioniert weil er privat genauso professionell ist wie geschäftlich. Wer aber gerne mal seine Meinung sagen möchte, sollte beides trennen. Denn im Geschäftsleben hat die eigene Meinung nur sehr geringen Stellenwert.
Hat man erst einmal ordentlich Zeit in Referenzen und andere Arbeiten investiert, hat man sich also einen Namen gemacht und kann was vorzeigen, kann man langsam mal dazu übergehen etwas zu verlangen. Wenn dem Kunden die bisherigen Referenzen nicht ausreichen und er eine speziell auf sich zugeschnittene Probearbeit sehen will, so sollte man sich diese Arbeit auch bezahlen lassen. Dabei sollte man aber nicht zu gierig sein, auch hier geht man ein gewisses unternehmerisches Risiko ein. Zu hohe Preise verscheuchen die potentiellen Kunden, zu niedrige Preise erhöhen die Verluste.
Ein Kostenvoranschlag für eine Reparatur kostet in einer Autowerkstatt oft so um die 30 Euro. Damit deckt die Werkstatt aber in den seltensten Fällen alle tatsächlich angefallenen Kosten. Diese liegen meistens um das zwei- bis dreifache darüber. Den Fehlbetrag holen sich die Werkstätten jedoch bei einem späteren Reparaturauftrag über die Preise für die einzelnen Positionen wieder rein. Das der Kostenvoranschlag, respektive die bezahlte Probearbeit, einen Nebeneffekt hat, ist mehr gewollt als Zufall. Denn welcher Kunde holt sich 5, 10 oder mehr Kostenvoranschläge rein wenn er die alle bezahlen muss? Und zudem setzt hier ein psychologischer Effekt ein. Wenn der Kunde eh schon etwas gezahlt hat, dann ist er eher bereit den Auftrag zu vergeben wenn er die Kosten mit dem Auftrag verrechnet bekommt. So hat der Kunde zumindest nicht den Eindruck er hätte Geld verschenkt.
Die falsche Kundschaft
Ich sehe schon wie viele sich jetzt sagen “Aber meine Kunden würden niemals für eine Probearbeit bezahlen…“. Gut, dann sage ich: Du hast die falschen Kunden.
Kunden die bereits an diesen Punkt zu geizig sind die Probearbeit zu bezahlen, machen oft auch bei der Endabrechnung Schwierigkeiten. Man tut sich demnach also kein Gefallen damit monatelang für potentielle Kunden Arbeiten zu erstellen die dann am Ende ohnehin nicht in einem Auftrag enden oder, wenn es doch zu einem Auftrag kommt, endlose Diskussionen über Preise und Leistungen nach sich ziehen. Denn auch der Kampf um das wohlverdiente Geld ist kostenlose Arbeit die nicht bezahlt wird!
Gefragt ist also ein gutes Risikomanagement. Man muss sich bei jeden Kunden aufs Neue fragen wie viel Zeit und damit Geld man in diesen Kunden investieren will. Und wie hoch man das Risiko einschätzt das diese Zeit und damit das Geld verloren gehen kann.
Ich habe oft genug für Kunden stundenlang umsonst gearbeitet, erst vor kurzem war es eine Position von ungefähr 20 Stunden. Dabei hatte ich die ersten 10 Stunden selber zu verschulden weil ich die Situation falsch eingeschätzt hatte. Die Frage ob ich weiterhin Zeit (und Geld) in diesen Kunden investieren will, beantwortete ich für mich mit Ja. Denn zum einen wollte ich den Kunden halten, zum anderen sah ich keine größeren Probleme für zukünftige Aufträge und Zusammenarbeit. Diese 20 Stunden die ich bisher “umsonst” gearbeitet habe, sehe ich also nicht als Verlust, sondern als Investition an. Ich konnte dem Kunden so eine Arbeit präsentieren die ihn qualitativ überzeugte und ihn durch diesen “kostenlosen” Einsatz von der Leistungsbereitschaft überzeugen. Es ist also eine Investition die man nicht in Heller und Pfennig aufrechnen kann, genauso wenig wie man einen guten Ruf in Euro und Cent umrechnen kann.
Natürlich besteht ein gewisses Risiko das keine weiteren Aufträge kommen oder das sich die spätere Zusammenarbeit sehr schwierig gestaltet. Aber dieses Risiko habe ich als sehr niedrig eingeschätzt.
Es gab aber natürlich auch schon die krassen Gegensätze. Kunden die ich bei den kleinsten Schwierigkeiten habe fallen lassen oder die ich erst gar nicht angenommen habe. Dies ist eine Sache von Bauchgefühl und Erfahrung. Denn aus der wirtschaftlichen Sicht heraus muss man es so sehen: Eine Probearbeit ist eine überschaubare Sache. Ich weiß ich werde x Stunden, oder umgerechnet y Euro, in die Probearbeit investieren. Das Verlustrisiko steht im schlimmsten Fall bei 50%. Entweder man bekommt den Auftrag oder nicht. Dieses Risiko kann man oft genug noch weiter minimieren indem man sich z.B. die Arbeit teilweise bezahlen lässt. Hierdurch steigen die Chancen den Auftrag zu bekommen und das Verlustrisiko sinkt.
Ärger bei der Abrechnung oder bei der Durchführung ist ein unkalkulierbares Risiko. Weder weiß man welche Leistungen noch zusätzlich kommen (meistens sind es dann Sachen die der Kunde in einem Nebensatz nachts um 3 am Telefon erwähnt hat und bei denen der Kunde sich 100%ig sicher ist das dies von Anfang an vereinbart war), man weiß nicht ob und wann das Geld kommt und ob man um die Bezahlung der Position x kämpfen muss. Und vor allem weiß man nicht ob nach so einem Theater noch Folgeaufträge kommen oder ob man überhaupt noch mal Lust hat für diesen Kunden zu arbeiten. Schwierige Kunden sind für mich immer ein 80-100%iges Verlustrisiko. Denn die Zeit die man sich mit ihnen rum ärgert bezahlt einen niemand.
Fazit
Probearbeiten und Referenzen gehören zum Geschäftsleben dazu und man kommt um sie nicht herum. Sie sind aber keine Plage die unvorhergesehen über einen herein bricht, sondern in erster Linie eine Investition mit einem gewissen Verlustrisiko. Und selbst dieses Verlustrisiko ist mit etwas Erfahrung überschau- und berechenbar.
Wer ständig mit kostenlosen Probearbeiten konfrontiert wird und häufiger keine Aufträge daraus generieren kann, muss die Verluste auf seine Preise umlegen. Das macht der Metzger genauso wie der Architekt. Nicht umsonst sind die Besten oft die teuersten. Denn sie haben bereits ihr Lehrgeld bezahlt und fahren jetzt die Zinsen ein.
Wenn man jedoch ständig nur zur Probe arbeitet und durch Umlage die Preise in exorbitante Höhe steigen, dann liegt das aller Wahrscheinlichkeit nicht am System, sondern an anderen Faktor. In solch einem Fall sollte man sich fragen ob z.B. die eigene Qualität stimmt oder ob man vielleicht in einem Marktsegment tätig ist das vollkommen überlaufen ist. Unter Umständen hat man aber auch eine Nische besetzt die nicht so ertragreich ist wie man sich erhofft hat.